Kirgistan

Erlebnis Kirgistan – Forschungsaufenthalt im Tien Shan

Im Sommer 2007 verbrachte ich zwei Monate in der zentralasiatischen Republik Kirgistan. Nun mag man sich fragen, wie kommt man denn dort hin, da die Region damals touristisch keinerlei Bedeutung hatte? 

2006 war ich auf der Suche nach einem Thema für meine Examensarbeit, welches im Idealfall meine beiden Studienfächer Biologie und Erdkunde miteinander verband. Mit einer Spezialisierung auf Biogeographie, Vegetations- und Landschaftsökologie war Professor Dr. Udo Schickhoff hier für mich der erste Ansprechpartner. Aktuell gab es ein mehrjähriges Forschungsprojekt zu Mensch-Umwelt-Interaktionen in Südkirgistan, an dem mehrere deutsche Universitäten beteiligt waren. Kerngedanke des Projektes war es, die vielfältigen sowohl soziogeographischen als auch vegetationsökologischen Veränderungen durch den Transformationsprozess zu erforschen. Nach einiger Recherche zur politischen Situation in Kirgistan entschied ich mich, meine Examensarbeit als Teil dieses Projektes zu schreiben. Bald stand das Thema meiner Examensarbeit „Der Einfluss der Beweidung auf Vegetationsstruktur und Artenzusammensetzung der Hochweiden im Raum Arslanbob, Süd-Kirgistan“ fest und die Planung meines Forschungsaufenthaltes im Sommer 2007 begann. 

Gleichzeitig wurde vom Fachbereich Geographie eine große Geländeexkursion im Sommer 2007 angeboten, an der ich im Anschluss an meinen Forschungsaufenthalt teilnehmen sollte.

Voller freudiger Erwartung habe ich mich am 30.06.2007 mit Simon, der im Rahmen seines Studiums ein Praktikum in unserem Projekt machte,  am Hamburger Flughafen getroffen. Das „Abenteuer Kirgistan“, das in den letzten Monaten geplant wurde, sollte nun wirklich beginnen. Über Sankt Petersburg ging es mit der russischen Fluglinie Pulkovo Airline nach Bishkek, wo wir mitten in der Nacht in der Projektwohnung ankamen. Am nächsten Tag wurde dann die Hauptstadt erkundet, Geld gewechselt und die letzten Besorgungen für unseren Aufenthalt in Südkirgistan gemacht. In Bishkek haben wir uns schnell gut zurecht gefunden und haben die Stadt und den Bazar erkundet. Insgesamt wirkte die Stadt recht grün, was sich später bei der Fahrt im Riesenrad auch von oben zeigte. Positiv aufgefallen ist, dass wir uns überall frei bewegen konnten und nicht an jeder Ecke und in jedem Laden angebettelt wurden.

Mit dem „Taxi“ ging es am nächsten Tag in acht Stunden nach Djalal Abad im Süden des Landes und wir bekamen einen ersten Eindruck des kirgisischen Fahrstils. Sehr abenteuerlich! Hierzulande hätte wohl keines der Autos, mit denen wir uns in den nächsten Wochen fortbewegen sollten, einen gültigen TÜV bekommen. Die Reifen so groß, dass sie am Radkasten schraben, ist hier nur ein Beispiel von vielen. An selber fahren war nicht zu denken, da mussten wir doch in unsere Fahrer vertrauen, was manchmal etwas schwer fiel…

Durch das Projekt hatten wir immer unsere Dolmetscher als Ansprechpartner, die für uns auch weitestgehend die Organisation übernahmen. Es fand sich immer ein Bruder/Onkel/Freund…, der uns gegen ein entsprechendes Entgeld zur Verfügung stand. So konnten wir aber sicher sein, auch wirklich zu den besprochenen Konditionen transportiert zu werden. Dies sollte sich auch in den nächsten Wochen immer wieder als gut herausstellen und hat auch bis auf ein einziges Mal gut geklappt.

Angekommen in Gumchana bei Arslanbob bezogen wir unser Basisquartier bei Bolot und seiner Familie in der Datscha im Garten. Hier fanden sich alle Projektmitarbeiter immer wieder zwischen den Forschungsaufenthalten auf den verschiedenen Jailoos (Hochweiden) ein. Wenn alle da waren, was aber nur selten der Fall war, konnte es schon richtig eng werden.

Die meiste Zeit verbrachten wir auf den verschiedenen Jailoos rund um Arslanbob, um hier unsere Vegetationsaufnahmen zu machen. Meist bauten wir unser Zeltlager direkt benachbart zu einer kirgisischen Familie auf. Gegen ein kleines Entgeld und mitgebrachte Lebensmittel vom Bazar durften wir häufig an ihren Mahlzeiten teilnehmen und kamen so auch immer wieder in engen Kontakt mit der kirgisischen Bevölkerung. Außerdem besuchten wir die anderen Familien auf der Hochweide, um mit ihnen Interviews über die Beweidungsstruktur und die Veränderungen der letzten Jahre zu führen. Häufig kamen wir hierbei in den Genuss kirgisischer Gastfreundschaft. Für die Kirgisen war der Kontakt mit uns etwas ganz besonderes, da sich nur äußerst selten Europäer oder andere Touristen hier aufhalten. Wir wurden also immer sehr zuvorkommend behandelt und durften (bzw. mussten) alle kirgisischen Spezialitäten probieren. Einiges war für unseren Geschmack dann doch sehr gewöhnungsbedürftig. Eine Besonderheit ist zum Beispiel Kumys – vergorene Stutenmilch, welche es als Getränk oder in kleinen harten Kugeln gibt.

Obwohl Kirgistan ein überwiegend muslimisch geprägtes Land ist, haben wir hier nur sehr wenige Einschränkungen erlebt und sind überall sehr offen empfangen worden. Bilder, die man aus anderen islamischen Ländern zum Beispiel im arabischen Bereich kennt, zeigen sich hier nicht. So war es zum Beispiel überhaupt kein Problem auch als Frau mit kurzer Hose und T-Shirt über den Bazar zu schlendern. Eine Verschleierung tragen auch die meisten kirgisischen Frauen nicht, wohl aber auf dem Land lange Kleider und Röcke.

Da das Wetter in diesem Jahr sehr wechselhaft war und es viele verregnete Tage mit Sturm und Gewitter gab, war unsere Arbeit im Feld nicht immer ganz einfach. Schnell mussten wir lernen, Pläne werden dazu gemacht, um wieder verworfen zu werden und am besten schaut man ganz spontan, was sich machen lässt. Mit einem Ziel vor Augen, welches erreicht werden muss, ist diese Herangehensweise aber nicht immer ganz einfach. Auch die Begebenheiten vor Ort entsprachen nicht wirklich den Planungen aus Hamburg. Für mich bedeutete dies, dass ich lange nicht wusste, ob ich hier überhaupt geeignete Ergebnisse für meine Arbeit erreichen kann. Da war guter Rat teuer und die Stimmung häufig mies. Da es den anderen nicht besser ging, spiegelte sich dies auch in der Gruppenstimmung wider. Dennoch haben wir uns immer wieder aufgerappelt und fleißig weiter Flächen gesammelt, Pflanzen bestimmt und Interviews geführt. Etwas einfacher wurde es, als ich mir sagte, im Notfall stelle ich die Flächen dem Forschungsprojekt zur Verfügung, sehe das ganze als neue und spannende Erfahrung an und suche mir in Hamburg ein neues Thema. Notwendig war dies am Ende glücklicherweise nicht.

Auch die Logistik war für uns manchmal etwas schwierig. Kirgisen haben da einfach eine andere Denkweise. So sollten wir zum Beispiel den Weg zur abgelegene Hochweide Kerei an einem Tag auf mehreren Pferden, die uns und das Gepäck transportieren sollten, zurück legen. So war der Plan. Nach drei Tagen und einer Irrfahrt durch mehrere Dörfer erreichten wir mit einem Pferd und einem Esel endlich das Ziel. Wieder sind zwei Tage Feldarbeit verloren. Woran lag es? Zum Einen werden die Pferde für die Feldarbeit gebraucht und sind ein lebensnotwendiges Gut, welches nicht an „unwissende“ Weiße vergeben wird, zum Anderen merkten wir hier erstmals, dass Frauen in Verhandlungen nur wenig zu sagen haben. Auch unser Dolmetscher war dieses Mal keine große Hilfe, da er unser Anliegen nicht wirklich verstand und auch nur rudimentär unsere Vorstellungen weiter gegeben hat. Er hatte da wohl eine andere Meinung…. An diesem Beispiel zeigt sich aber auch, am Ende hat doch alles geklappt, wenn auch nur selten so wie geplant…

Für mich waren diese vier Wochen ein Wechselbad der Gefühle von absoluter Niedergeschlagenheit, weil nichts funktionierte über viel Spaß und Freude und tolle Erlebnisse. Insbesondere das Eintauchen in eine völlig andere Lebenswelt, die wir nicht nur als Tourist bestaunten, sondern wirklich miterlebten, machte diese Wochen für mich zu etwas ganz Besonderem.

Immer in Erinnerung bleiben wird mir wohl die Erfahrung, mehrere Wochen ohne fließend Wasser (oder dem was wir darunter verstehen, einen Fluss, in dem wir uns unsere Wäsche und auch alles andere wuschen, gab es immerhin), eine sanitäre Infrastruktur und nur mit sporadischem Strom im Zelt und einer kleinen Datscha zu leben. Gekocht wurde über offenem Feuer, die Lebensmittel die wir auf dem Basar erstanden haben oder was es von den Kirgisen gab. Frisch geschossenes Murmeltier oder geschlachteter Hammel sind hier nur zwei Beispiele. Dennoch war die Freude groß, als es zurück nach Bishkek und gemeinsam mit der großen Gruppe in die zweite Phase des Kirgistanaufenthalts ging.

Wer Interesse an den Ergebnissen hat und einmal in meine Arbeit hineinlesen möchte, kann mich gerne über unser Kontaktformular anschreiben.

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